Podcast Episode #4

Aller guten Dinge sind drei - Tino Keller über seine Gründungsgeschichte und sein aktuelles Startup Accountable

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Gast

Tino Keller

Co-Founder & Managing Director Germany bei Accountable

Show Notes

In dieser Episode sprechen wir mit Tino Keller, der schon mehrere Startups gegründet hat und dessen aktuelles Unternehnen Accountable einen einfachen Steuer-Service für Selbständige anbietet. Vor Accountable hat er die Firmen "Spickmich" und "Promiflash" mitgegründet, die vielen ein Begriff sein werden. Wir erfahren von Tino, welche Learnings aus seinen ersten beiden Gründungen ihm bei seinem jetzigen Vorhaben am meisten helfen, wie die Zusammenarbeit mit den Investoren seiner Startups ablief und wie die Zukunft von Accountable aussieht.

Transkript

Willkommen bei Uplink, deinem Podcast zu Startups, Freelancing und The Future of Work.

Nick: Hi, Tino! Herzlich willkommen zu unserem Podcast heute. Ich freue mich riesig, dass du da bist. Wir sprechen heute über deine erfolgreiche Gründungsgeschichte, dein aktuelles Startup Accountable und auch über andere Themen wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit verschiedenen Investoren. Für alle, die dich noch nicht kennen, wäre es super, wenn du dich einmal kurz vorstellen kannst und deine Journey quasi beschreiben kannst, die dich dahin geführt hat, wo du jetzt aktuell bist.

Tino: Ja, total gerne. Ich freue mich, dass wir heute sprechen. Vielleicht kurz zu mir: Ich bin Tino, ich habe mal vor längerer Zeit BWL studiert, habe dann aus der Uni raus meine erste Firma gegründet mit Spickmich, ein Social Network für Schüler – ganz spannender Ritt, auch mit tollen Investoren – habe aus den Erfahrungen dann meine nächste Firma gegründet im Medienbereich mit Promiflash, das viele Jahre gemacht und auch da verschiedene Erfahrungen gesammelt durch verschiedene Veränderungen im Businessumfeld und Medienumfeld. Seit 2019 bin ich mit Accountable am Start. Mit Accountable machen wir im Endeffekt eine einfache Steuerlösung für Selbstständige – für Soloselbstständige, die oft das Problem haben: Ich will mich selbstständig machen, ich will meine Selbstständigkeit zum Erfolg bringen, aber das Thema Steuern ist ein Buch mit sieben Siegeln. Das wollen wir, so einfach es geht, lösen. Das machen wir mit Accountable seit 2019, als europäische Lösung angedacht.

Nick: Superspannend. Du hast ja gerade schon angesprochen, du bist quasi das dritte Mal in einem Gründungsprozess, und jedes Mal – sei es mit Spickmich, Promiflash oder Accountable – sind es eigentlich total verschiedene Bereiche und auch ganz verschiedene Branchen, ergo auch Zielgruppen. Gerade am Anfang von einer Idee, wo du denkst „Da juckt es mich in den Fingern, da würde ich gerne irgendwie was machen“ – was waren denn wirklich konkret die ersten Schritte? Habt ihr immer direkt mit einem MVP angefangen, erst einen umfangreichen Businessplan gemacht, gerade auch bei den verschiedenen Geschäftsmodellen. Was waren da deine Learnings?

Tino: Du hast es gerade schon angesprochen – ich glaube, MVP ist ein gutes Stichwort, sehr wichtig. Vielleicht noch einen Schritt vorher: Ich glaube, es kommt auch oft sehr stark darauf an, mit welchen Leuten man zusammenarbeitet, dass man das Gefühl hat, das funktioniert. Man ergänzt sich. Mit meinen jetzigen Mitgründern muss ich sagen: Superstarke Typen, tolle Erfahrungen und ohne diese Hintergründe könnten wir auch so ein dickes Brett wie eine Steuerlösung gar nicht bohren. Ich glaube, da sich zusammenzufinden und dann – und da habe ich auch was gelernt über die Zeit – sich Verständnis für den Markt auch anzueignen. Das Problem tief zu verstehen und auch zu verstehen: Wie groß ist der Markt? Das sind auch die Fragen, die von Investoren gerne kommen. Da war ich zum Anfang meiner Gründungserfahrung aus der Uni raus viel zu naiv, was manchmal auch gut ist, weil dann hinterfragt man nicht und macht einfach mal. Aber ich glaube, sich diese Fragen zu stellen: Hey, mit welchen Leuten arbeitet man da zusammen und welche Lösung für welchen Markt bietet man eigentlich an? Das ist schon gut, sich dafür die Zeit zu nehmen. Und dann, klar, ganz schnell mit einem NVP rausgehen, weil natürlich superviele Hypothesen, die ich am Anfang hatte, sich dann doch als falsch erweisen und das findet man nur raus im Zusammenspiel mit Nutzern und mit Leuten, die so ein Produkt benutzen und Feedback geben, was funktioniert und was eben auch nicht so gut funktioniert.

Nick: Jetzt gerade bei – können wir auch später nochmal drüber sprechen – aber gerade bei Accountable, was einfach ein Buchhaltungstool ist und wo es auch superviele Regularien gibt, sei es Verknüpfung zu so Steuerthemen: Wie sieht denn bei sowas quasi konkret ein NVP aus? Es heißt du gehst erstmal irgendwie, sprichst du mit ein paar Freelancern, die Interesse daran haben, oder wie kannst du gerade in so hochregulierten Bereichen sowas an den Start bringen?

Tino: Guter Punkt. Accountable ist ja sogar wirklich von Anfang an schon nicht nur als Buchhaltungstool konzipiert, sondern auch als Steuertool, das heißt, noch eine Ecke weiter. Das Steueruniversum ist relativ umfangreich und du kannst natürlich nicht alles sofort abdecken. Das heißt, NVP heißt dann: Was sind die Kernnutzungsarten, für wen baut man das und was müssen wir abdecken? Zum Beispiel haben wir dann am Start gesagt: Das Thema Gewerbesteuer klammern wir zum Start aus. Mittlerweile haben wir die Gewerbesteuer auch mit drin, weil es eben ein wichtiger Punkt ist. Wie sah das NVP am Anfang aus? Wir haben dann gesagt, wir starten mit einem Tool, das deinen ganzen Papierkram digitalisiert. Das heißt, du kannst einfach deine Bewirtungsbelege scannen, deine Fahrkarten scannen, du kannst Rechnungen schreiben, bei denen du sicher bist, dass die korrekt sind, du kannst sein Bankkonto verbinden, um das praktisch zu konsolidieren und zu schauen, dass du auch nichts vergisst. Das ist wirklich eher so ein Buchhaltungsassistent. Und dann haben wir im nächsten Schritt eben diese Steuerlösung drangebaut, dass du Umsatzsteuervormeldungen ans Finanzamt schicken kannst, im nächsten Schritt auch die Einkommenssteuererklärung, mittlerweile auch die Gewerbesteuererklärung. Also dann sukzessive neue Sachen hinzugefügt, die einfach dem Nutzer noch mehr Wert bringen. Was wir auch gemacht haben: Zum Start haben wir gesagt, die Sachen, die wir noch nicht mit der Software machen können, die machen wir mir Steuerberaterpartnern. Also einfach wirklich mit einem Steuerberater, der dann da einspringen kann zu einem extrem fairen Preis, haben wir das gemacht. Ich glaube, das waren so 60€ Flatrate im Monat. Das skaliert natürlich nicht, aber hilft uns auch, zu lernen: Was funktioniert und was funktioniert nicht? Was brauchen Nutzer? Wo ist das Software am besten geeignet und wo ist die persönliche Beratung durch einen Steuerberater doch gefragt? – um dann auch an den richtigen Stellen zu investieren mit der Softwareentwicklung.

Nick: Auf jeden Fall. Ich glaube, gerade auch so quasi persönliche Connections zu Steuerberatern zu machen, ist ja einfach ein supergutes Tool und ein superguter Hint, den sich ja viele Freelancer wünschen. Ich kriege es auch regelmäßig bei uns in der Community mit, wenn es alleine schon um den Gedanken geht, sich nebenberuflich irgendwie selbstständig zu machen und es dann schon daran scheitert: Bin ich überhaupt freiberuflich oder selbstständig? – und viele dann davor zurückschrecken, weil man einfach diesen Adminaufwand scheut. Das ist natürlich mega, wenn man einfach weiß, man kriegt da geholfen und hat da auch coole Tools am Start, die einem eben genau diese ganzen Sachen abnehmen, und muss nicht immer gleich einen Steuerberater hiren, um solche Themen anzugehen.

Tino: Das ist ein Riesenpunkt, den du ansprichst, weil es gibt viele Leute, die machen einen Superjob, sagen aber: Hey – und das haben wir gerade auch gemerkt in der Coronazeit – nebenberufliche Selbstständigkeit ist eigentlich eine starke Sache, ich baue mir noch ein zweites Standbein auf. Ist auch finanziell superattraktiv, weil man hat schon viele Kosten, die Krankenversicherung, über eine Festanstellung schon abgedeckt und das lohnt sich in vieler Hinsicht und kann auch sehr befriedigend sein. Aber Leute fragen sich: Kann ich das denn, schaffe ich das denn, ist es nicht zu komplex? Habe ich dann die ganzen Wochenenden nicht nur mit Papierkram zu tun? – und das ist in der Tat auch genau einer der Use Cases mit Accountable. Das kann so einfach sein wie eine Angestelltentätigkeit. Man kann sehr viel automatisieren und es gibt auf viele Fragen, die sich erstmal komplex anhören, dann doch einfache Antworten. Weil die Steuerwelt arbeitet natürlich auch mit vielen Begrifflichkeiten, die erst mal für den nicht eingeweihten Laien einfach dazu führen, dass man googlen muss, dass man nachfragen muss – und da versuchen wir einfach mit der Sprache alles so einfach zu machen, dass man es wirklich ohne Vorkenntnisse sofort versteht und dann nicht sofort getrieben ist: Jetzt muss ich zum Steuerberater, noch irgendwie vorab Investments machen. Man kann wirklich mit Accountable loslegen und kriegt dann auf dem Weg diese Fragen beantwortet, auch von unserem Support-Team. Manchmal ist es wirklich auch ein bisschen Übersetzungsarbeit von Steuerdeutsch in normales Deutsch. Dann sagt jeder: Ah, okay, verstanden, so ist das klar – und es unblocked und kann dann wirklich starten. Das ist auch unser Ziel, weil wir glauben, dass viel mehr Leute diese Unabhängigkeit in der Selbstständigkeit auch nutzen können und sollten und das in der Zukunft weiter ein Trend sein wird.

Nick: Absolut. Gerade auch mit diesem Steuerdeutsch – jetzt sprechen wir ja schon aus dieser privilegierten Situation heraus, dass wir in unserem Land der deutschen Sprache mächtig sind. Und wenn man sich auch die Freelancer anschaut, gerade – was ich auch so mitbekomme – im IT-Bereich: Superviele Freelancer sprechen kein Deutsch, die arbeiten komplett auf Englisch. Viele Freunde von mir arbeiten auf Englisch, gerade so in dieser Berlin-Startup-Bubble. Und gerade auch für englischsprachige Leute ist es superwichtig, da einen Service anzubieten. Die sind ja meistens auch die Zielgruppe, die besonders überfordert ist, wenn es um solche Themen geht. Accountable ist ja tatsächlich auch in mehreren Ländern aktiv beziehungsweise kann man es in verschiedenen Ländern nutzen. Euch gibt es auch in englisch. Was ist denn da euer Plan bzw. deine Vision, gerade mit so Steuerregularien – ist das wirklich so, dass in jedem Land ihr bei Null anfangen müsst, sind manche Sachen EU-weit einfacher? Wie seid ihr da rangegangen?

Tino: Spannendes Thema. In der Tat ist es so, ich glaube, wir sind auch dann die einzige Lösung, die auch auf Englisch voll verfügbar ist für Experts. Deswegen haben wir auch gerade zum Anfang viele Nutzer gehabt, die sagen: Endlich mal was, was in Plain English erklärt, wie die deutschen Steuerregeln sind. Da haben wir zum Beispiel auch so eine Partnerschaft mit N26. Auch ein Bundle mit N26, weil wir gesehen haben: Das ist ein Konto, das funktioniert gut für Experts. Unsere Lösung funktioniert gut für Experts und wenn man das zusammen macht, dann haben die das Thema eigentlich schon erledigt, Bank und Steuern. Und in der Tat denken wir, dass diese Einfachheit und alle in die Lage zu versetzen, selbstständig zu sein, das muss sich auch erstrecken auf Leute, die eben nicht deutsch sprechen und die auch keine Vorbildung haben im Thema Steuern oder Betriebswirtschaft. Das gibt es auch aus ganz anderen Bereichen. Wir denken es wirklich als europäische Lösung und da ist es so, das Thema Umsatzsteuer ist auch schon weitgehend europäisch harmonisiert. Da gibt es Umsatzsteuer-IDs, da gibt es diese Reverse-Charge-Rechnungen – ist für viele Leute auch mittlerweile ein Thema, weil: Wer kennt es nicht? Man kauft ein Dropbox-Abo, dann kommt die Rechnung aus Irland. Schon da fängt es an, bei den kleinen Sachen. Oder ich habe einen Kunden, der vielleicht in Frankreich sitzt und auch da dann entsprechend korrekt die Rechnung schreiben können, das ist sicherlich ein Thema, das ist in allen Ländern gleich. Was natürlich unterschiedlich ist, ist die Einkommenssteuer, wie sie konkret berechnet wird, wobei das konzeptionell in Europa auch wieder ähnlich ist, wie sich das berechnet und auch die Unterlagen, die man vorher braucht. Es geht natürlich darum: Was sind die Ausgangsrechnungen, was sind die Eingangsrechnungen, was lässt sich steuerlich abziehen? Da ist noch Deckungswirkung drin. Und so schaffen wir es eigentlich mit der Plattform, die alles abbildet plus dann diese Lokalisierungsdateien, wirklich auf ein Land zugeschnitten, eine Lösung anzubieten, die dort funktioniert. Dann aber auch jedes Land immer in die Lage versetzt, ein anderes Land schneller zu starten als das nächste Land. Unser erster Testmarkt war ja Belgien. Dann haben wir Deutschland weiter ausgebaut, jetzt sind wir gerade dabei, die nächsten Länderlaunches vorzubereiten und wir sehen, dass das immer einfacher geht weil wir aufbauen können auf die, die wir schon gemacht haben.

Nick: Superspannend. Ich glaube auch, gerade so heutzutage – viele Freelancer sind ja auch einfach happy, gerade in Europa zu sein, und dann ja auch einfach superflexibel, was den Wohnort angeht und wechseln den Wohnort irgendwie alle ein, zwei Jahre. Wenn du da auch einfach das Tool mitnehmen kannst, glaube ich, ist es auf jeden Fall ein supercooler Faktor.

Tino: Das ist unsere Vision. Die Vision ist wirklich, dass man wirklich jeden in die Lage versetzen kann, eine Selbstständigkeit aufzusetzen und zu entscheiden: Wo kann er arbeiten, wie will er arbeiten? – ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass er sich da irgendwo verheddert und da ein einfaches Tool zu schaffen, fokussiert auf die Freelancer und Soloselbstständigen, das ist unsere Vision. Am liebsten für ganz Europa. Das ist natürlich ein Weg, deswegen gehen wir das Stück für Stück an, weiten die Coverage immer noch mehr aus, aber das ist wirklich so die große Vision, wirklich so ein Financial Assistant zu sein für Selbstständige. Es kommen ja auch andere Themen rein, die alle mit Steuern verbunden sind. Zum Beispiel das Thema Altersvorsorge oder Versicherungen. Das hat alles auch eine Steuerkomponente, weil man damit eben auch das steuerlich optimiert machen kann und da gibt es extrem viel Unsicherheit. Da wollen wir Transparenz schaffen, das klar machen, dass es jeder machen kann. Das kann er selbst machen, und dann kann er sich punktuelle Beratung holen, wo es eben notwendig ist – vom Steuerberater.

Nick: Superspannend. Es gibt natürlich gerade so im Buchhaltungsbusiness, habe ich das Gefühl, auch viele Player am Markt, die in letzter Zeit coole Lösungen an den Start gebracht haben – gerade so große Nummern sind ja oft gegen die Lexoffice, SevDesk, wo natürlich auch die Website relativ informationsreich ist, sage ich mal. Was würdest du sagen, was sind so die Unterschiede, was ihr anders macht zu so ganz comprehensive Buchhaltungstools?

Tino: Ja, ich glaube, Lexoffice und SevDesk sind natürlich gute Lösungen. Das sind natürlich Buchhaltungslösungen und keine Steuerlösungen. Damit kannst du nicht deine Einkommenssteuererklärung machen. Die sind auch übersichtlich gestaltet, die sind gleichzeitig aber auch so gemacht, dass sie für eine GmbH funktionieren und für einen Soloselbstständigen. Das heißt, eine GbR hat ein bisschen andere Anforderungen und meistens hat ein GmbH-Geschäftsführer auch eine Buchhaltungskraft oder jemanden ein bisschen im Background mit Betriebswissenschaft. Für den ist das dann alles fein. Unserer Erfahrung nach machen Selbstständige die Buchhaltung vor allem, weil sie müssen und weil das Finanzamt das von ihnen will. Die haben einen guten Überblick, wie ihr Business läuft. Die wissen, wie viele Kosten sie haben, sie wissen auch, wie viel Geld sie machen über die Rechnungen, die sie stellen in ihren Projekten. Das heißt, diese ganze Buchhaltung ist das, was on top kommt und jetzt nicht zum Selbstzweck. Dann ist oft so eine Lösung, die auch für eine GmbH gemacht ist: Die kann dann vielleicht recht viel, aber nicht das, was der Selbstständige will. Ich will einfach die Sache schnell und einfach erledigen, um ein Verständnis zu entwickeln. Von daher glaube ich, ist unser Verständnis eine einfache Lösung, die das Problem löst, nämlich die Steuern zu erledigen. Vielleicht ist das besser, als wenn man sagt: Ich will die beste Buchhaltung aufziehen mit so einer auf Buchhaltung zugeschnittenen Lösung. Das ist so der Unterschied. Der nächste Punkt ist: Für einen Selbstständigen endet das Ganze ja nicht mit einer Buchhaltung, wie läuft dein Business, am Ende kommt es darauf an: Wie viel Geld hast du zur Verfügung? Also, wie viel Geld auf deinem Konto ist deins und kannst du privat nutzen und ausgeben oder investieren und wie viel musst du dem Staat geben? Das heißt, das wird erst klar mit der Einkommenssteuererklärung. Wenn so eine Buchhaltungslösung irgendwo stoppt, und nicht noch die Einkommenssteuerlösung mitmacht, dann ist nur die Hälfte der Arbeit erledigt. Dann brauchst du trotzdem noch einen Steuerberater. Und es ist eben extrem schwierig, einen selbstständigen Steuerberater zu finden, der Interesse hat an selbstständigen Partnern, die am Anfang sind und noch nicht so viel Umsatz machen. Es gibt immer weniger Steuerberater, die sich dann eher vielleicht auf Kapitalgesellschaften konzentrieren. Und da sehen wir eben unsere Stärke, dass wir es einfach machen, dass wir alle Steuern erledigen – also nicht nur die Buchhaltung, sondern die Steuern komplett machen – und der Nutzer sich überlegen kann: Brauche ich einen Steuerberater, ja oder nein?, es dann mit oder ohne Steuerberater nutzen kann und dann punktuell dazuholen kann. Und da unterscheiden wir uns halt sehr stark von diesen bewährten alten Lösungen, die auch von der Sprache und der Art und Weise, wie sie programmiert sind, anders daher kommen.

Nick: Superspannend. Wenn es jetzt darum geht – hast du gerade auch schon angesprochen – man versucht natürlich immer, Sachen weiter auszubauen. Man kann quasi die Steuer machen, es geht in verschiedene Länder, oftmals – das kennen wahrscheinlich viele Gründer, viele Unternehmer – ist die Tendenz ja auch da, immer an neuen Features zu basteln und manchmal auf dem Weg ein bisschen die Zielgruppe zu verlieren, was gerade in so einem Fall, wo man sagt: Hey, wir haben Freelancer und Selbstständige, essenziell ist da supernah dran dabei zu sein. Wie macht ihr das denn quasi bei Accountable, den Kunden immer on track zu halten, um rauszufinden: Was sind wirklich die konkreten Painpoints, an denen wir weiterarbeiten müssen?

Tino: Das ist ein superrelevantes Thema mit einem solchen Produkt, natürlich. Zum Einen hat man natürlich dann die Steuerreports, die Leute erstellen müssen und wissen: Das ist praktisch unsere Roadmap, das müssen wir abarbeiten, damit wir wirklich auch dieses Versprechen einlösen „Du kannst alle deine Steuern klären mit uns.“ Gleichzeitig haben Nutzer dann vielleicht auch ganz andere Wünsche und da versuchen wir wirklich, sehr eng im Austausch zu sein. Wir legen sehr viel Wert auf unseren Support und unseren Customer Success. Da sind wir wirklich ganz eng im Austausch mit den Nutzern und führen da auch Listen, was nachgefragt wird. Ein Beispiel ist: Eins der am meisten gefragten Features – Rechnungsstellung in anderen Währungen. Also Rechnung stellen nicht nur in Euro, sondern British Pounds oder US-Dollar oder jede Währung. Es gibt Leute, die haben Kunden in Neuseeland, in Australien, Kanada – interessanterweise, Lex Office, die haben das gar nicht. Obwohl es seit gefühlt Jahrzehnten auf dem Markt ist, kannst du da nicht in einer anderen Währung eine Rechnung stellen. Und wir haben gesagt, das ist ein Riesenthema, also haben wir es gebaut, um genau diese Themen aufzunehmen und zu sehen: Das sind kleine, aber wichtige Punkte. Klein, weil im Vergleich zu einer neuen Steuerlogik ist es klein, aber für denjenigen, der es nutzt, ist es halt super-entscheidend, weil wenn sein Kunde das haben will, dann braucht er das. Deswegen legen wir da sehr viel Wert drauf, immer zu schauen: Okay, was sind die relevanten Themen? Wir testen auch sehr viel, weil du kannst natürlich nicht alles einen Nutzer fragen – manchmal musst du einfach schauen, wie ist die Usagedata, das heißt, wir sagen: Okay, wenn da ein Business in der App, in einem AB-Test, was funktioniert besser und was funktioniert nicht so gut für die Leute?, um dann immer so die vielen kleinen Verbesserungen einzusammeln und damit dann am Ende das deutlich bessere Produkt zu sein, weil nur so können wir Leute überzeugen. Die sagen: Hey, es ist viel einfacher, verstehe ich besser – und da kannst du anfangen mit dem Produkt, aber auch sprachliche Themen. Manchmal hast du einfach nur was in der Copy verändert und dann wird den Leuten klar, worum es dabei geht, und dann müssen wir uns immer wieder zwingen, dass wir nicht eine Steuersoftware produzieren. Das sage ich immer, wir produzieren keine Steuersoftware, wir produzieren einen Tool für Selbstständige. Da hin zu kommen, ist für uns ganz entscheidend.

Nick: Absolut. Und gerade auch sprachlich, was du sagst: Ich kann mir vorstellen, es ist wahrscheinlich auch ein Riesenthema – sprachliche Übersetzungen ins Englische, wenn es eben um Deutschthemen geht, dass das Ganze intuitiv bleibt.

Tino: Oder die Steuersprache. Guck mal Umsatzsteuervoranmeldung. Dann meldet sich einer an und es gibt ein Schreiben vom Finanzamt: Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten. Das hörst du und das musst du nochmal hören, um es zu begreifen. Und das ist eine Abkürzung: UST, EST, dann gibt es die Steuernummern. Das sind ganz viele Themen, wo wir sagen: Diese Komplexität müssen wir einfach radikal reduzieren, weil die Leute haben ja nicht vor, noch irgendwie den kleinen Steuerberater zu machen, sondern die wollen ihre Steuern erledigen.

Nick: Absolut. Wenn wir jetzt einmal quasi über Accountable als Unternehmen sprechen – war ja auch fett in den News glücklicherweise – habt ihr bei Accountable ordentlich Geld eingesammelt. Was würdest du sagen, wie viel war das genau im letzten Jahr und wo, gerade nach so einem großen Investment, fließt das bei euch erst mal hin aktuell?

Tino: Insgesamt haben wir ein Gesamtfunding von 10 Millionen eingesammelt. Wo geht das hin? Natürlich geht ein Großteil in die Produktentwicklung, ist ganz klar. Das ist wichtig. Die Hälfte des Teams sind Softwareentwickler oder zumindest im Product unterwegs. Der andere Teil ist wirklich dann Go-to-market, zu schauen, dass wir Kampagnen fahren, wir achten auch immer mehr auf das Thema Branding, Positioning, wir legen sehr viel Wert darauf, dass wir auch visuell ein bisschen netter daherkommen. Niemand freut sich auf das Thema Steuern und das Wochenende mit Buchhaltung zu verbringen. Das heißt, alles auch ein bisschen so machen in UX, UI zu investieren – also geht zu großen Teilen ins Produkt und dann natürlich Marketing. Aktuell schauen wir uns ganz genau an: Was sind die nächsten Länder, die wir angehen, wo wir Accountable launchen wollen? Das ist auch noch ein Investment, wobei wir, ehrlich gesagt, da auch gerade schauen: Wie entwickelt sich der Markt? Wann ist die richtige Zeit, in den nächsten Markt zu launchen? Aber dafür haben wir das Geld eingesammelt, für die Skalierung von Accountable in den bestehenden Märkten und neue Märkte anzugehen und die Coverage auch zu erweitern, dass immer mehr Leute ihre Steuern mit Accountabe erklären können. Wir haben jetzt für 2021 auch, dass verheiratete Paare ihre Steuern erklären können mit Kindern. Also wir haben das immer erweitert und werden es auch weiterhin natürlich tun.

Nick: Generell, wenn du jetzt auch zuvor ein Startup aufgebaut hast, gibt es denn aus deiner Erfahrung heraus so einen Sweetspot, wo du weißt: Ab jetzt ist der richtige Punkt, Investoren ins Boot zu holen, oder weißt du das eigentlich schon von Beginn an und planst das akribisch? Wie kann man sich da die Entscheidungsfindung vorstellen?

Tino: Das ist auch bei mir ein Lernen gewesen. Bei meiner ersten Firma hatte ich natürlich noch keine Erfahrung, wie das Zusammenspiel mit Investoren funktioniert. Aber ich würde sagen, aus den Erfahrungen heraus macht es Sinn, eigentlich immer mit Leuten zu sprechen zu jedem Zeitpunkt. Gleich nach unserem Gespräch treffe ich auf einen Kaffe einen Investor, obwohl wir gerade gar nicht im Fundraising sind. Mit Leuten zu sprechen und zu sehen: Hat man einen ähnlichen Blick auf die Welt, kann die Zusammenarbeit gut funktionieren, ist super-wertvoll. Und wenn man sich eine Weile kennt und schätzt, dann sind auch später Gespräche einfacher. Von daher glaube ich, wenn man die Chance hat, mit einem Investor ins Gespräch zu kommen, gibt es keinen Grund, das nicht so früh wie möglich zu machen. Die Frage ist halt: Wann geht man konkret raus mit einem Pitch und mit einer Frage nach einem konkreten Betrag? Dann muss man eben schon einen guten Pitch machen. In dem Moment muss man überzeugen. Vorher ist es ein bisschen Relationship-buildung, was auch wichtig ist, aber dann muss es eben ein überzeugender Pitch sein. Da gibt es natürlich verschiedene Punkte. Aus meiner Erfahrung ist es immer besser, das zu machen, wenn man das Geld gerade nicht ganz dringend braucht und Optionen hat. Aber ich würde immer den Kontakt aufrecht erhalten.

Nick: Da quasi auch frühzeitig die Infos, wenn man erst mal locker mit Leuten spricht, sind wahrscheinlich auch superhilfreich – gerade wenn man noch nicht die große Gründungserfahrung hat, die Sachen dann in den Pitch einfließen zu lassen beziehungsweise eine realistische Einschätzung für die Summe zu bekommen. Hast du denn bei all den Startups immer auf Investoren gesetzt?

Tino: Bei Spickmich hatten wir auch Venture-Geld drin und bei Promiflash – das haben wir aus Umsätzen finanziert, auch mit einem Bankkredit. Wir hatten da auch externe Partner rein, die eher strategischer Art waren, also unterschiedliche Erfahrungen. Es kommt ganz darauf an, was für ein Modell es ist. Ich glaube, wenn man es ganz alleine machen kann, ist es natürlich auch spannend. Dann hast du da die volle Kontrolle. Gleichzeitig kann natürlich ein Partner auch helfen und im Leben einer Firma gibt es ganz verschiedene, nicht vorhersehbare Situationen, wo auch unterschiedliche Konstellationen von Gesellschaftern hilfreich sein können. Für Accountable ist es klar, dass das ein Venture Case ist. Das ist ein dickes Brett, wie ich gesagt habe – wir wollen eine europäische Steuerlösung machen. Das ist ein komplexes Feld. Wir glauben, die Zeit ist reif dafür. Die Investoren auch, sonst hätten sie uns das Geld nicht gegeben. Aber bis diese Lösung so da steht, wie wir uns das vorstellen, dieser Finished Assistant for Self-employed, European Freelancers – das dauert natürlich. Das müssen wir aufbauen und da ist natürlich Venture Capital perfekt für. Es kommt immer auf das Business drauf an, auf das, was man macht.

Nick: Wenn ich jetzt quasi ein Startup bin und meinen ersten Pitch vorbereitet habe und dann noch überlege, wie ich operativ bzw. strategisch Investoren einbinden möchte – ich bin da relativ blauäugig, habe da keine Erfahrung – wie sieht es denn eigentlich aus, wenn man so einen strategischen Investor hat? Wie oft stimmt man sich da eigentlich ab, wie engmaschig findet das statt? Ist es halbwegs reguliert, kannst du da pi mal Daumen sagen: So läuft der Hase in der Regel, oder ist es ganz individuell?

Tino: Ich kenne natürlich auch nur die Konstellation, die ich selbst erlebt habe oder irgendwie indirekt erlebt habe. Ich würde sagen, wo es relativ klar ist, ist die professionellen VC-Funds. Die haben ein System mit den Boardmeetings, die regelmäßig abgehalten werden. Dann gibt es einen CEO-Letter, entsprechend werden dort Updates gegeben. Es wird auch hinterfragt, was an Strategie und Operations passiert und da stimmt man sich ab und plant gemeinsam, schaut gemeinsam, idealerweise, wie man die Firma nach vorne bringt. Ich denke, es gibt sicher auch jede Art von Konstellationen, wo du auch einen Investor hast, der sich komplett zurück hält, oder einen, der eher versucht, das in eine bestimmte Richtung zu drängen. Ich glaube, für die VC-Funds, die professionell investieren, da ist es schon irgendwo herauskristallisiert. Ich denke, das machen die alle mehr oder weniger ähnlich. Da ist es natürlich dann entscheidend: Wen hast du in deinem Board? Wie ist die Zusammensetzung des Boards? Ich glaube, so in den letzten Jahren, wo sich Kunden auch noch mehr die VCs aussuchen konnten, haben Leute auch geschaut: Was ist das für ein Typ, der dort sitzt? Welche operative Erfahrung bringt er ein? Wie war er in der Vergangenheit in schwierigen Situationen? Darauf kommt es einfach an, wenn es wirklich hart auf hart kommt.

Nick: Cool, superspannend. Jetzt quasi zum Abschluss: Was wünschst du dir denn persönlich für Accountable für die nächsten Jahre bzw. vielleicht wäre es ganz spannend zu sehen, wo wünschst du dir, dass ihr in einem Jahr steht bzw. in fünf? Du hast es schon ein bisschen durchklingen lassen, den europäischen Markt ein bisschen zu erschließen, aber auch wenn es um Teamkonstellationen und solche Themen geht.

Tino: Wir haben ein kleines Team von 30 Leuten. Das macht super Spaß und hat auch viele Vorteile. Wir sind relativ remote. Was würde ich mir wünschen in einem Jahr? Dass wir gut wachsen in Deutschland, auf einem guten Pfad sind, dass wir vielleicht in das nächste Land gestartet haben. Natürlich dann auch erst mal mit einem NVP, also die ersten Gehversuche, die ersten Erfahrungen auch mit Nutzern sammeln, und dass wir das Team so zusammenhalten können, wie wir es jetzt haben, weil das tolle Leute sind. Dass wir es schaffen, das eine oder andere größere Teamevent zu machen, weil in unserer remote-Konstellation, zum Beispiel in Arden oder auf Kreta – das macht schon nochmal was aus, das ist schon klasse. Das zum Einen in drei Jahren. Dann wirklich in mehreren Ländern Fahrt aufgenommen zu haben und auf dem Weg zu sein, wirklich diese europäische Lösung zu sein und so langfristiger – mal abgesehen von dieser geographischen Ausweitung der Lösung – auch noch weitere Bereiche angehen zu können. Dass wir immer wieder Fragen haben: Hat das Thema Krankenversicherung was Selbstständiges? Kommen da Fragen auf, und wir wollen ja gar nicht so ein Versicherungsvergleich werden, aber immer, wenn hintendran man sagen kann, steuerlich würde das und das Sinn machen, und diese Themen, die man sich vom Steuerberater auch wünschen würde, die man dann auch oft nicht so kriegt, diese Infos, weil man den Zugang nicht hat oder weil der Steuerberater vielleicht doch nur einmal im Jahr mal drauf guckt – das wirklich abliefern zu können und zu sagen: Hey, dort sehe ich ganz klar: Was macht steuerlich Sinn? Ich kann zum Beispiel diese Berufshaftpflicht, die kostet mich ja nach Steuern nur das und das, ist ja eine Supersache – da eine Klarheit für Leute darstellen zu können. Auch Altersvorsorge, ganz schwierig für Selbstständige – diese ganzen Rürup-Geschichten, lohnt es sich, lohnt es sich nicht? Schwer zu sagen. Aber zu zeigen, die Abwägungen und Leuten das Gefühl zu geben: Ich kriege hier die Infos, die ich brauche, um eine gute Entscheidung zu fällen, einfach serviert, ohne dass ich die Sorge habe, mir wird da was verkauft oder die ganze doch schwierige Finanz- und Steuersprache da mit rein gekippt. Das wäre schon wirklich das Ziel, da hin zu kommen. Dass vielleicht mehr Leute, die jetzt vielleicht angestellt sind, damit liebäugeln und sagen: Ich kann das eigentlich selbst machen. Also mehr Unternehmertum, mehr Selbstständigkeit, und Leute, die ihren eigenen Weg gehen mit dem guten Gefühl und das nicht mit Angst verbinden. Ich glaube, das wäre wirklich so das große Ziel.

Nick: Das klingt auf jeden Fall top. Ich glaube, gerade auch bei Ausgaben und Betriebsausgaben ist es so eine Planbarkeit, die vielen Leuten fehlt und auch gerade in den ersten Jahren der Selbstständigkeit wirklich immer so am Ende ist: Oh Gott, jetzt muss ich gucken, was quasi noch hängen bleibt, weil ich kenne viele, die machen privat auch ein separates Unterkonto und haben das erst so nach und nach rausgefunden. Das ist auf jeden Fall eine supercoole Mission. Cool, Tino. Ich danke dir auf jeden Fall für deine Zeit und den netten Call und wünsche dir noch einen superschönen Tag. Bis bald.

Tino: Super, hat mega Spaß gemacht. Bis bald wieder und dir auch noch einen wunderschönen Tag. Bis dann!

Nick: Danke dir. Ciao!